Corina Gantenbein: Eine Spätberufene klopft an die Tür zur Weltklasse

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Corina Gantenbein beim Haibike-Ötztal Pro Team ©Bause

In der Vielzahl an Weltklasse-Bikerinnen aus der Schweiz, wie Jolanda Neff, Kathrin Stirnemann, Esther Süss oder Katrin Leumann wird Corina Gantenbein bisher nur wenig wahrgenommen. Dabei war die jetzt 28-Jährige schon mehrfach unter den besten 20 der Welt. Vor der bald beginnenden Saison ist sie von Fischer-BMC zum Haibike-Ötztal Team gewechselt und hat ihr berufliches Engagement zurück geschraubt.

Corina Gantenbein gehört zur Kategorie der Spätberufenen. Erst im Alter von 16 Jahren begann sie als Hobby-Bikerin Marathons zu bestreiten, mit 19 Jahren löste sie ihre erste Lizenz. Erst vier Jahre ist es her, als sie bei Beni Rufs Team Fischer-BMC unterschrieb und den Wechsel in die olympische Cross-Country-Disziplin vollzog.
Beispiele für einen so späten – und erfolgreichen – Einstieg in den MTB-Sport gibt es; vor allem im Lager der Damen, ein paar sehr prominente. Die beiden amtierenden Olympiasiegerinnen Sabine Spitz und Gunn-Rita Dahle-Flesjaa gehören dazu und auch die amtierende Marathon-Weltmeisterin Annika Langvad.

Allerdings war Corina Gantenbein als Jugendliche überhaupt nicht sportlich aktiv. „Auch als Kind nicht. Ich habe mich mehr der Musik verschrieben“, sagt Corina Gantenbein und begleitet ihre Worte mit einem sympathisch-offenen Lachen, das einem bei ihr sehr oft begegnet. Gantenbein spielt Geige.

Der grundsätzliche Unterschied, das hat auch schon Sabine Spitz des Öfteren betont, zu einer Athletin, die schon als Kind oder Jugendliche mit dem Sport beginnt, ist die eigene, freie und damit auch bewusste Entscheidung für die ganzen Umstände, die der Leistungssport mit sich bringt.

Späte Karriere: Nicht fremdbestimmt
„Es ist einerseits schwierig Fuß zu fassen“, meint Corina Gantenbein, weil man eine gewisse Entwicklung nicht vollzogen hat. In der Adaption des Sports in Sachen Trainingslehre, Fahrtechnik, Material oder auch Taktik. „Aber es war meine ganz eigene Entscheidung und nicht fremdbestimmt“, erklärt sie.
Nicht von einer Zugehörigkeit zu einem Freundeskreis, nicht von einem Trainer und auch nicht von Eltern beeinflusst. „Ich denke, ich bin nicht so ausgebrannt. Und ich habe im Jugendalter auch nichts verpasst“ Sie lacht wieder und man weiß was sie meint.

Als sie von der Marathon-Fahrerin zur Cross-Country-Pilotin wird, da hat sie bereits begonnen in Davos als Primar-Lehrerin zu arbeiten. Als Nebenher-Mountainbikerin ist es natürlich doppelt schwierig, sich in der Elite-Kategorie nach vorne zu arbeiten.

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Ohne Heuschnupfen und auf Haibike bergauf – nicht nur im Ötztal: Corina Gantenbein ©Bause

Es ist erstaunlich und spricht für vorhandenes Talent, dass sie schon 2012 Dritte bei den Schweizer Meisterschaften wurde. 2013 zeigte die Kurve weiter nach oben. Rang drei beim Afxentia Etappen-Rennen auf Zypern ließ aufhorchen, mit Rang 18 im Val di Sole und Rang 19 in Andorra gelang es ihr zweimal im Weltcup die Top-20 zu knacken. Sie klopfte also bereits vernehmlich an der Tür zur Weltklasse.

2014 schien sich der Aufwärtstrend fortzusetzen. Die Testwerte waren so gut wie nie zuvor. Mit Platz 17 stieg sie in Pietermaritzburg in den Weltcup ein. Doch dann wurde sie von Heuschnupfen regelrecht überrascht. „Das habe ich gar nicht gekannt, das war zum Teil echt krass“, schüttelt Corina Gantenbein den Kopf.
Die ersten beiden Runden funktionierten häufig noch, doch dann ging ihr einfach die Luft aus. Nur beim Finale in Méribel schafft sie es im Weltcup als 28. noch mal unter die besten 30.

„Um gegen die Allergie was zu machen, muss man schon im Winter was tun. Das war letztes Jahr nicht möglich, weil ich ja noch nichts davon wusste. Ich bin dran Lösungen zu finden.

Mehr Zeit für Training und Erholung
Dass sie es ernst meint mit der Sport-Karriere zeigt die Entscheidung auf eine Festanstellung zu verzichten, die sie schon vor drei Jahren ihre Festanstellung als Lehrerin gekündigt hat. Als Lehrerin auf Abruf betrug ihr Arbeitspensum 70 Prozent. Das heißt, sie springt für Kolleginnen und Kollegen ein. „Da muss man flexibel sein, auch weil man mal von einer zweiten in eine neunten Klasse wechseln muss. Aber bis Mai habe ich die Wochen schon geplant“ erläutert Corina Gantenbein. Zudem gibt sie Deutsch-Kurse für Migranten.

A propos Planung. Was die Trainingseinheiten angeht, arbeitet die Lehrerin mit Erika Dicht zusammen. Die frühere Marathon-Spezialistin (Rang vier und fünf bei Marathon-Weltmeisterschaften 2009 und 2008) und vormalige alpine Skirennläuferin ist am Davoser Sport-Internat tätig.

„Ich habe jetzt auf jeden Fall mehr Zeit fürs Training und vor allem für die Erholung“, ist Gantenbein guter Hoffnung, dass sich das auszahlt. Es ist auch der Vertrag bei Haibike-Ötztal, der ihr die Gelegenheit gibt, ihr Arbeitspensum noch mal zu reduzieren. „Ich arbeite nur so viel, dass ich meinen Lebensunterhalt finanzieren kann“, erklärt sie. Und natürlich weiß sie auch, dass es mit 28 Jahren Zeit wird Vollgas zu geben – trotz des jugendlichen Wettkampfalters.

Wenn sich der Heuschnupfen im Zaum halten lässt, dann sollte Corina Gantenbein wieder da anknüpfen können, wo sie vor neun Monaten in Pietermaritzburg schon mal war. Und die Latte weiter noch ein wenig weiter nach oben schieben können.

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