Der Tour-Zweite Jean-Christophe Péraud und die Liebe zum Mountainbike-Sport

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Jean-Christophe Péraud, hier in London 2012: „Olympia-Silber bleibt mein größter Erfolg“. ©Jahn Ekman

Drei Jahre nach dem Sieg von Cadel Evans wird erneut ein Ex-Mountainbiker auf dem Podium der Tour de France stehen. Vor der letzten Etappe, in der es in Sachen Gesamtwertung normalerweise keine Angriffe mehr gibt, liegt der MTB-Europameister von 2005, Jean-Christophe Péraud (Ag2r), hinter dem Italiener Vincenzo Nibali (Astana) fast sensationell auf Rang zwei. Und zeigt erneut seine Liebe zum Cross-Country-Sport.

Am Samstag, beim 54 Kilometer langen Zeitfahren, überholte Jean-Christophe Péraud seinen Landsmann Thibault Pinot und schob sich als Tages-Siebter vom dritten auf den zweiten Rang. Wenn nichts völlig Außergewöhnliches mehr passiert, wird zum ersten Mal seit 1997, als der später geständige Doper Richard Virenque Zweiter war, ein Franzose auf dem Podest des größten Rad-Rennens der Welt stehen*.

Zudem es ist das erste Mal überhaupt, dass das französische Team Ag2r einen Fahrer auf dem Podium einer dreiwöchigen Landesrundfahrt stellt. Was das im Nachbarland bedeutet, kann man sich kaum vorstellen. Vergleichbar mit dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland.

Jetzt ist es ausgerechnet ein Ex-Mountainbiker, dem dieser Coup gelingt. Die Franzosen, zumindest die TV-Reporter, hätten lieber Pinot (24, bester Nachwuchs-Fahrer) oder Pérauds Teamkollegen Romain Bardet (23, Sechster) als besten aus der Grand Nation gesehen. Vielleicht weil Péraud ein ruhiger Vertreter seiner Zunft ist, vielleicht wegen seiner 37 Jahre, vielleicht auch weil er eben immer irgendwie ein Mountainbiker geblieben ist.

Dennoch wird Jean-Christophe Péraud jetzt euphorisch gefeiert. Auch im Lager der Mountainbiker. Erfreut ist auch Weltcup-Rekordsieger Julien Absalon (BMC Racing) über seinen langjährigen Weg-Gefährten.

„Ich freue mich sehr für ihn und auch für den Mountainbike-Sport“, sagt Absalon über den Familienvater aus Toulouse, der in Peking hinter ihm Olympia-Silber auf dem MTB gewonnen hat und 2005 Europameister war. „Das zeigt den Leuten in Frankreich wie hoch da Niveau bei den Mountainbikern ist“, so Absalon. Nicht nur den Leuten in Frankreich.
Im Cross-Country-Lager besitzt er auch Kredit, weil man ihn immer für einen ehrlichen Athleten gehalten hat, wie Ralph Näf erklärt. „Das gefällt mir, weil er ein gutes Beispiel ist“, sagt der BMC-Fahrer.

„Olympia-Silber mein größter Erfolg“
Péraud selbst war in höchstem Maße bewegt von seiner Leistung, wie ein Text auf Cyclingnews schön beschreibt. Und: – Achtung! – bei der anschließenden Pressekonferenz bezeichnete er seine Silbermedaille von 2008 als seinen nach wie vor größten Erfolg. Weil er immer davon geträumt habe und wegen dem Olympischen Geist und all dem. Das wird den Organisatoren der Tour de France nicht so sehr gefallen haben, schließlich reklamieren sie ja immer, das Rennen selbst wäre größer als seine Protagonisten.

Schon 2012 hatte er dem Cross-Country-Sport gleichsam ein Denkmal errichtet, als er auf eine Reporter-Frage, was ihm wichtiger wäre, ein Tour-de-France-Sieg oder Olympia-Gold auf dem Mountainbike, die unerwartete Antwort gab: „Olympia-Gold“. Und das auch genauso gemeint hat, wie er dem Autor damals ausdrücklich bestätigte.

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2012 in Pietermaritzburg: Jean-Christoph Péraud ©Erhard Goller

Als Mountainbiker mit Halbtags-Job
Jean-Christophe Péraud ist ohnehin ein außergewöhnlicher Sportler. Bis er Ende 2009 im Alter 32 Jahren ins Straßen-Metier wechselte, hatte der studierte Geophysiker (Umwelt-und Verfahrenstechnik) beim Energie-Unternehmen Areva einen Halbtags-Job. Einen Weltcup-Sieg konnte er nicht verbuchen, aber dem EM-Titel, Olympia-Silber und ein paar Podiums-Platzierungen im Weltcup. Den Job bei Areva konnte er für zwei Jahre still legen, sonst hätte er den Wechsel wohl gar nicht vollzogen.

Aufmerksam war man auf ihn geworden, weil er bei den Französischen Zeitfahrmeisterschaften die französische Straßen-Elite düpiert und den Titel gewonnen hatte.
„Eigentlich muss ich es machen. Ich bin 32 und im Mountainbike bin ich alles gefahren. Die Straße wäre noch mal eine neue Herausforderung“, erklärte Péraud damals.
Erst war Péraud bei Omega Pharma-Lotto unter Vertrag, dann wechselte er zu AG2R, wo man auch Verständnis dafür hatte, dass er bisweilen noch MTB-Rennen fahren wollte. Er schaffte es auch, sich für die Olympischen Spiele in London zu qualifizieren, doch dort machte sich das Vielfahrer-Programm bemerkbar und er wurde nur 29.

Eines seiner Ziele vor knapp fünf Jahren war die Teilnahme an der Tour de France. Dass er einmal in Paris auf dem Podium stehen würde, davon hat er wohl nur geträumt.

Noch ein Ex-Biker in den Top 20
Mit Youri Trofimov (Team Katusha) liegt ein weiterer Ex-Mountainbiker (U23-Weltmeister 2005) auf Rang 14. Der Vorjahres-Siebte Jakob Fuglsang (Astana, U23-Weltmeister 2007) rangiert, durch einen Sturz gehandicapt, einen Tag vor Schluss nur auf Platz 36. Cannondale-Fahrer Peter Sagan (MTB-Junioren-Weltmeister 2008) wird das Grüne Trikot des Punktbesten gewinnen. Er war allerdings schon als Junior zweigleisig gefahren.

*Nachdem man Lance Armstrong nachträglich seine sieben Tour-Siege aberkannt hat, steht Christophe Moreau im Jahr 2000 offiziell als Dritter in den Annalen.

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