Jolanda Neff: Unternehmen doppelter Gipfelsturm hat begonnen

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Von Gipfel zu Gipfel, vom Säntis nach Rio: Jolanda Neff sucht die Herausforderung ©Erhard Goller

 

Die Weltranglisten-Erste Jolanda Neff vom Stöckli Pro Team hat bekannt gegeben, dass sie bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro einen Doppelstart anpeilt. Die Schweizerin will am 7. August im Straßenrennen und am 20. August beim Cross-Country-Rennen dabei sein. Bei einem Medien-Termin erläuterte sie am Montag in großer Höhe ihre Pläne.

 

Den 2502 Meter hohen Säntis, respektive das Panoramarestaurant etwas unterhalb des Gipfels, hatte Jolanda Neff als Ort für ihre Pressekonferenz gewählt. Der höchste Berg der Ostschweiz, „symbolisch passend“, wie sie selbst meint. Symbol für den zweifachen Gipfelsturm, den sie vor sich sieht und der auch ein Grund für den Termin ist, zu dem ihre Medien-Beraterin Janine Geigele geladen hat. Tatsächlich geht es nicht um die Ost-Schweiz, sondern um den sportlich höchsten Gipfel, den Olymp.

 

Was sich schon angedeutet hat, bestätigt Jolanda Neff: „Ich sage ja zum Doppelstart“. Dann klärt sie darüber auf, wie es zu dieser Entscheidung kam.

Vor einem Jahr waren die Schweizer in Rio um die Bedingungen vor Ort abzuklären. Dabei hat Jolanda Neff auch den Kurs des Straßenrennens besichtigt und ein schweres Profil mit vielen Anstiegen entdeckt. „Fast ein Berg-Rennen. Erst die Besichtigung hat den Stein ins Rollen gebracht“, sagt sie.

Ein (kleines) Fragezeichen steht allerdings noch hinter diesem Doppelstart. In der Nationenweltrangliste liegt die Schweiz aktuell auf Rang 23 und hätte damit kein Anrecht auf einen Startplatz. Platz 22 müsste es sein, dann dürften zwei Eidgenossinnen am Straßenrennen in Brasilien teilnehmen.

Der März gehört der Straße

Ein Einzelstart-Recht für Jolanda Neff könnte sich aus ihrem Weltranglisten-Platz unter den besten 100 ergeben. Sie ist 46. Doch das kommt nur unter den Bedingungen zum Tragen, dass die maximale Teilnehmerinnen-Zahl 62 durch die Quoten-Plätze noch nicht erreicht ist.

Die komplexe Situation referiert Jolanda Neff ganz versiert. Und die WM-Neunte auf der Straße erklärt auch, wie sie der Schweiz zu den entsprechenden Quoten-Plätzen und sich zum zweifachen Olympia-Start verhelfen will.

Der März 2016 wird dem Straßen-Projekt und dem Punkte-Sammeln gewidmet. Dort will sie bei insgesamt sechs Rennen (u.a. Strade Bianchi, Trofeo Binda und Gent-Wevelgem) genügend Punkte sammeln. Danach ist vor Rio kein weiteres Straßenrennen mehr geplant. „Ob ich vorher noch mal ein Straßenrennen fahre, ist noch offen. Aber die wichtigen Stationen sind erst mal die WM in Nove Mesto und Lenzerheide“, betont die Weltranglisten-Erste und lässt auch keinen Zweifel daran, dass das ihre Disziplin Nummer eins bleibt. „Das bleibt unbestritten und unverändert mein Fokus. Wenn ich da Einbußen hinnehmen müsste, hätte ich es nie gemacht.“

Servetto erlaubt ein Kommen und Gehen

Von besseren Straßen-Teams hätte es „zwei, drei Anfragen“ gegeben, erläutert Jolanda Neff auf Nachfrage, weil Servetto Footon nicht als Top-Team gilt. Aber darum wäre es ihr nicht gegangen. „Servetto erlaubt mir ein Kommen und Gehen wie ich will, sie bieten alles und ich habe keine zusätzlichen Verpflichtungen. Außerdem kann ich mein Stöckli-Bike fahren“, erklärt sie ihre Wahl. Dass man dort nur italienisch spricht, wäre ein kleines Hindernis. Doch weil auch ihre „gute Freundin“ Eva Lechner für das Team fahren werde, könne die als Übersetzerin fungieren und überdies sei auch Edi Telser (Südtiroler und Schweizer Damen-Coach) meistens vor Ort.

Die möglicherweise fehlende Team-Unterstützung bei größeren Rennen sei da auch kein Problem, weil: „In Rio werde ich das ja auch nicht haben.“

Woran sie im Blick auf das olympische Straßenrennen noch arbeiten will, das seien ihre Sprint-Fähigkeiten. Bei der WM in Richmond wurde sie im Sprint der neunköpfigen Spitzengruppe Neunte. „Das war einerseits taktisches Fehlverhalten. Ich habe mich zu weit hinten aufgehalten. Aber ich war auch körperlich nicht mehr in der Lage. Das werde ich beim Trainingslager in Südafrika versuchen zu trainieren“, so Jolanda Neff.

Termin-Kollision mit Mont Sainte Anne

Einen Kompromiss muss sie im Blick auf die MTB-Saison eingehen. Das Weltcup-Rennen am 7. August in Mont Sainte Anne, das sie 2015 gewinnen konnte, muss sie auslassen. Am selben Tag findet das olympische Straßenrennen statt.

Die Ambitionen auf die Wiederholung des Gesamt-Weltcup-Sieges gibt Jolanda Neff deshalb aber noch nicht auf. „Der Weltcup hat nächstes Jahr sicher nicht den Stellenwert wie 2015, aber es ist sicher auch möglich zu gewinnen, wenn man ein Rennen auslässt. Ich werde mein Bestes geben“, kündigt die Thalerin an.

Möglicherweise werden sogar auch Konkurrentinnen den Weltcup in Mont Sainte Anne auslassen, um sich früher in Rio zu akklimatisieren.

Und den Ehrgeiz immer gewinnen zu wollen, egal wie wichtig ein Rennen ist, kennt man vom Supertalent Neff. Um 20. zu werden, so wird sie gefragt, werde sie am Straßenrennen ja wohl auch nicht teilnehmen?„Aha! Nein, sicher nicht“, antwortet sie, fast erstaunt über die Frage.

Ihr künftiger Team-Manager Ralph Näf findet den Doppelstart gut, auch wenn das für eine junge Athletin bei ihren ersten Olympischen Spielen ein gewisses Risiko darstellt. „Besondere Sportler wie Jolanda brauchen so was, für sie ist das Normale nicht genug“, meint Näf. „Sicher, wenn es schief geht, wird es hinterher kritisiert. Aber das kann es auch ohne Doppelstart.“

Der zweifache Olympia-Teilnehmer ist für die bald 23-Jährige auch ein Mosaikstein auf dem Weg zum Erfolg. „Ralph wird mir mit seiner Erfahrung eine wichtige Stütze sein“, betont sie.

Sich selbst die größte Gegnerin?

Offen, reflektiert und souverän parliert Jolanda Neff über die bevorstehende Saison. Nur einmal, als ein Kollege wissen will, welches Ziel sie sich für das olympische MTB-Rennen am 20. August gesetzt habe, da grätscht Beraterin Janine Geigele dazwischen. Bevor Jolanda Neff die vielleicht erhoffte Antwort „Gold“ geben kann. „Vorsicht bei dem, was du jetzt sagst. Das verfolgt dich das ganze Jahr.“

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Souverän, auch am Mikrofon: Jolanda Neff ©Erhard Goller

Wie sie wohl ohne diesen Hinweis geantwortet hätte? Spekulation. Was nach einem Grinsen von Neff folgte, war die vorläufige Verschiebung der Zielsetzung auf kommenden Sommer. „Das kann man jetzt noch nicht sagen. Wir müssen mal abwarten, wie die Saison verläuft.“ Und: „Mein Hauptziel ist es gesund zu bleiben. Das ist die Voraussetzung, wie man dieses Jahr gesehen hat. Vielleicht bin ich selbst meine größte Gegnerin.“

Damit verweist sie auf die WM in Andorra, als sie angeschlagen ins Rennen gehen musste und keine Chance hatte in den Kampf um die Medaillen einzugreifen.Der Auftakt mit zwei Wochen Trainingslager in Barcelona (mit den Schweizer Damen) sei gelungen, eine Basis bereits gelegt, sagt Neff.

Jetzt stehen erst einmal ein paar Cross-Rennen in der Schweiz auf dem Programm, dann folgt im Januar ein Trainingslager auf Gran Canaria mit Swiss Cycling und im Februar ein Stöckli-Trainingscamp in Südafrika. „Ich freue mich auf ein Jahr, in dem ich viel lernen kann. Es wird sicher ein unvergessliches Jahr, hoffentlich im positiven Sinne“, blickt Jolanda Neff voraus. Der doppelter Gipfelsturm hat begonnen.

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