Moritz Milatz: Ein „Good Bye“ mit Nusszopf und Glühwein

 

Die Zukunft ohne Startnummern hat für Moritz Milatz bereits begonnen und auch bei seinem Abschiedsrennen in Freiburg gab es keine. Der fünffache Deutsche Meister hat mit Freunden und Kameraden einen kleinen Karriere-Abschluss gefeiert. Ein guter Zeitpunkt, um den sympathischen Biker noch mal zu würdigen.

 

Ein wildes „Rennen“mit Weg-Gefährten zum Rosskopf, ein gemeinsamer Downhill von dort und ein lockeres „Zusammenhocken“ in der Freiburger Bäckerei Lienhart. Bei Nusszopf, Glühwein und Bier.

Das passt zu Moritz Milatz, der in seiner etwa 15-jährigen Mountainbike-Karriere auf glamouröse Anwandlungen gerne verzichtete, der Glanzlichter lieber auf der Rennstrecke und in den Ergebnislisten setzte.

Groß Aufhebens hat er um seine eigene Person nie gemacht und es hätte auch dieses „Abschieds-Rennen“ wohl nicht gegeben, wenn es nicht seine Freunde Markus Bauer und Johannes Fröhlinger organisiert hätten.

„Ich alleine hätte mangels Zeit wohl nichts gemacht“, gesteht Moritz Milatz. Zu sehr nehmen ihn aktuell der Master-Studiengang an der Uni Freiburg und die zusätzlichen Arbeitsstunden beim Unternehmen FSM in Kirchzarten in Beschlag.

Da fällt ihm selbst auch gar nicht groß auf, dass der Leistungssport weg ist, dass er 1. November nicht wieder ins Grundlagen-Training einsteigen musste. „Bis jetzt vermisse ich noch nichts“, sagt der 35-Jährige mit einem Lachen.

Als dritter Zeit-Baustein sind da ja auch, die Familie mit Frau Kerstin und den beiden Kindern. „Langweilig ist mir nicht, im Gegenteil“, bekennt Milatz. „Im Moment habe ich alle Hände voll zu tun.“

„Einer, von dem sich andere was abschneiden können“

Es passt auch zu Moritz Milatz, dass die gut 20 Weg-Gefährten trotz Dezember-Kälte aufgetaucht und mitgefahren sind. Sein ehemaliger WG-Genosse Tim Böhme genauso wie Bundestrainer Peter Schaupp und die beiden Sunweb-Straßenprofis Johannes Fröhlinger und Simon Geschke, U23-

Simon Geschke_by Simone Mayer
Gehört auch zu den Milatz-Kumpels: Tour-de-France-Etappensieger Simon Geschke ©Simone Mayer

WM-Bronzemedaillengewinner Max Brandl oder Adelheid Morath und Nina Wrobel, die einige Jahre gemeinsam mit Milatz beim Multivan-Merida Biking Team unter Vertrag gestanden hat.

Der gebürtige Freiburger gilt als zuverlässiger Kamerad, einer „von dem sich viele Leute menschlich etwas abschneiden könnten“, wie Tim Böhme einmal gesagt hat. Mit dem man Pferde stehlen kann. Ein authentischer Typ, äußerst ehrgeizig zwar und mit einem Dickkopf ausgestattet, aber dennoch nicht im „Nur-Sport-Modus“ unterwegs. Einer, der sich nicht hat verbiegen lassen, sich treu geblieben ist.

Im deutschen Cross-Country-Sport – und teilweise auch in der Marathon-Disziplin – hinterlässt er, nicht nur sportlich, eine Lücke. Über zehn Jahre hinweg war Moritz Milatz im Weltcup, neben Manuel Fumic und Wolfram Kurschat, einer von drei deutschen Top-Ten-Kandidaten.

Als er den Modus Vivendi gefunden hatte…

Er sorgte mit EM-Gold 2012 in Moskau für den einzigen internationalen Titel in der männlichen Elite-Kategorie, die es für den BDR je gab. Er war dreimal bei den Olympischen Spielen, auch wenn die fünf Ringe nicht so richtig freundlich zu ihm waren. Einmal verhinderte ein Defekt (2008) ein Top-Ten-Ergebnis, einmal wurde zu Sturz gebracht (2012) und 2016 in Rio war er nicht gesund.

Aber immerhin, dreimal dabei gewesen zu sein, das macht ihn „schon stolz“, wie er sagt.

Zweimal stand er beim Weltcup als Dritter auf dem Podest, Marathon-Vizeweltmeister war er 2012 und EM-Dritter auf der Langdistanz 2007. Insgesamt fünfmal war er Deutscher Meister.

Vielleicht wäre noch mehr drin gewesen, wenn nicht 2014 ein Bruch gekommen wäre. Ausgerechnet nach seiner vermutlich stärksten Saison, die mit einem vierten Rang bei der WM in Norwegen endete, bekam er keinen Profi-Vertrag mehr. Vieles deutete darauf hin, dass Quer-Einsteiger Milatz im Alter von 32 Jahren einen „Modus Vivendi“ für seinen Sport gefunden, dass er gelernt hatte, seinen Leistungsaufbau im Profi-Umfeld zu steuern.

Danach war das mit dem wiederaufgenommenen Studium der Mikrosystemtechnik nicht mehr zu wiederholen. So war denn auf den Bierbänken in der Bäckerei Lienhart Zeit für rückblickende Anekdoten.

Oli Wrobels vielsagende erste Begegnung mit Milatz

An diesem Dezember-Sonntag fand eine sehr spezielle Karriere ihren Abschluss, die als Leichtathlet begonnen und als Zivildienstleistender in der Sportmedizin seine Wendung genommen hatte. Man hatte ihn halt mal auf einen Ergometer gesetzt und staunte Bauklötze über die Werte, die der junge Mann da trat.

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Anekdoten und Small-Talk in der Bäckerei Lienhart. Moritz Milatz (Mitte) im Gespräch mit Hanna Klein und Tim Böhme ©Erhard Goller

Oliver Wrobel, etliche Jahre beim Multivan-Merida Biking Team als Physiotherapeut Betreuer von Moritz Milatz, nickte angesichts dieser Erinnerungen. „Unglaublich, jetzt ist das schon vorbei.“ Und er fügte eine andere hinzu.

Bei damaligen Europacup in Bad Wildbad, Milatz bestritt seine erste Saison auf dem Mountainbike, sei er ihm zum ersten Mal aufgefallen, so Oliver Wrobel. „Er hat sein Bike auf den Boden geworfen“, lacht Wrobel.

Warum? „Ich weiß gar nicht mehr. Irgendwas hat nicht funktioniert“, versucht sich Milatz zu erinnern. Er lacht und schüttelt den Kopf. „Mein Vater und Michael (Veit, Entdecker und Berater) haben mich dann überzeugt doch weiter zu fahren.“ Das Endergebnis war eine Runde Rückstand und Platz 53.

Die Energie und der Ehrgeiz, die schon in dieser jugendlichen Phase in ihm steckten, waren letztlich auch Basis für die sportliche Entwicklung, die jetzt an ihrem Ende angekommen ist.

Ein bemerkenswerter Charakter sagt dem Sport „Good Bye“ und man wird ihn vermissen. Was bescheidene und zurückhaltende Menschen an Bedeutung erlangt haben, merkt man meist erst richtig, wenn sie weg sind.

Mehr zum Karriere-Ende von Moritz Milatz hier und hier

 

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