Noch ein U23-Nationalfahrer beendet seine Karriere

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Marcus Nicolai bei der Marathon-EM in Singen, dem Tag, als sich alles gegen ihn verschwor. ©Erhard Goller

U23-Nationalfahrer Marcus Nicolai beendet seine Laufbahn als Leistung-Sportler. Der Bulls-Biker hat ein duales Studium als Wirtschafts-Ingenieur begonnen, laboriert aber auch an Kniebeschwerden.

Es ist ein Zufall, dass Marcus Nicolai ausgerechnet in seinem letzten Jahr so massiv mit Kniebeschwerden zu kämpfen hatte, aber ein wenig erleichtern sie den Abschied vom Leistungssport, den er schon vor ungefähr einem Jahr beschlossen hatte.

„Damals habe ich die Zusage für ein duales Studium bekommen. Da es bei Elring Klinger idealerweise am Heimatort war, konnte ich das nicht ablehnen. Da war mehr oder weniger klar, dass es mein letztes Jahr im Team Bulls sein würde“, erklärt Marcus Nicolai wie seine Entscheidung zustande kam.

Sein erstes Studium an der Uni in Tübingen hat Marcus Nicolai abgebrochen. „Bei den Prüfungen habe ich gemerkt, ich schaffe das nicht, ich verzweifle daran“, berichtet er von dieser Zeit. Ein parallel laufendes Studium und der Leistungssport, das schien nicht machbar. Und als dann die Zusage für das duale Studium kam („das war das, was ich eigentlich immer wollte“), war auch rasch klar, dass der Sport zu kurz kommen würde.

Dieser Entscheidung zum Trotz, wollte Marcus Nicolai in diesem letzten Jahr, gleichzeitig auch sein letztes U23-Jahr, noch einmal richtig erfolgreich sein. Sowohl im Marathon, als auch im Cross-Country. Die erste Marke im Kalender war die Marathon-Europameisterschaft im Mai in Singen. Da wollte Nicolai den Titel in der U23-Wertung holen. Nach Platz drei im Vorjahr schien das auch machbar.

Doch es kam anders. Im März bekam er bei einem Trainingscamp mit dem TOUR-Magazin, wo er für Bulls Promotion machen sollte, leichte Probleme mit dem Knie, die er erst einmal nicht so ernst nahm. „Ich habe das beim Physio-Termin noch nicht mal erwähnt“, bekennt er im Nachhinein. Doch die Entzündung unter der Kniescheibe nahm ihren Lauf.

Monate wie ein Horror-Film
Als beim Bundesliga-Auftakt in Bad Säckingen die erste Nagelprobe bevorstand, da waren die Schmerzen schon gravierender. „Es war vielleicht mein größter Fehler, dass ich das Rennen überhaupt gefahren bin“, meint Nicolai im Rückblick. Ob es an der folgenden Leidens-Geschichte was geändert hätte, weiß man nicht.
„Ich bin danach beim Training nicht mal mehr bis zum Ortsschild Dettingen gekommen“, berichtet der 22-Jährige, der seine Erfolge vor allem seinem Trainingsfleiß und seiner konsequenten Einstellung zu verdanken hat.

Was folgte waren Monate, die wohl jedem Leistungssportler wie ein Horror-Film anmuten sind. Eine Diagnose, Behandlungsversuche, Trainingspausen, Wiederbeginn, wieder Trainingspause, eine weitere Diagnose und keine einschneidenden Erfolge bei den Behandlungen. Dazwischen der Versuch mit einem „Notprogramm“ für die Marathon-EM noch in Form zu kommen. Mit dem Schweizer Enea Vetsch auf Rang zwei und drei liegend pulverisierte ein Plattfuß auch noch die Medaillenhoffnungen und dann wurden auch die Schmerzen wieder größer. „Dass ich auch noch einen Defekt hatte, so viel Pech, das hat mich zerstört“, gesteht Nicolai.

Eine Woche später beim Weltcup in Albstadt sind die Schmerzen wieder größer und das Rennen deswegen „eine Katastrophe“. Der Rest der Saison verläuft im Grunde nach demselben Muster. Auch die Hoffnung, nachdem er in Ekuador sein letztes Rennen auf Rang drei beendet hat, erlischt wenige Tage später. Vor fünf Wochen schon war klar, dass er auch die Deutsche Marathon-Meisterschaft in Münsingen nicht bestreiten kann. Im Detail lässt sich das nachlesen auf seiner Homepage.

Marcus Nicolai: Team Bulls war absolut loyal
Jetzt ist Marcus Nicolai Student und wirkt nachdenklich: „Die Geschichte hat mir gezeigt, wie angreifbar und verletzlich man als Sportler ist, sogar ohne Sturz oder Unfall. Wenn ich mir vorstelle, dass mir das als Profi passiert wäre. Dann stünde ich ganz schön blöd da.“

Im Team Bulls habe man ihm allerdings über das ganze Jahr hinweg die Stange gehalten. „Sensationell“ habe Team-Manager Friedemann Schmude zu ihm gestanden und hätte ihm alle Zeit gegeben. „Das Team war absolut loyal, das muss ich hervorheben“, sagt Nicolai.

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Marcus Nicolai bei der Junioren-EM in Zoetermeer 2009 mit seinem Dettinger Vereinskollegen Sascha Bleher, der schon im vergangenen Jahr sein Bike an den Nagel gehängt hat. ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Im Rückblick denkt er an zwölf Jahre Radsport, an seinen ersten Trainer Ralf Kleih („von dem ich unglaublich viel gelernt habe“), an Bundestrainer Peter Schaupp, der ihn als persönlicher Coach zu seinen größten Erfolgen geführt habe und lieber ans vorletzte, als an das letzte Jahr der Karriere.
Sieger bei der Trans-Schwarzwald (mit Simon Stiebjahn), U23-EM-Bronze im Marathon waren 2012 seine größten Erfolge. Als Junior war er 2009 bei den Cross-Country-Europameisterschaften 13.

Wie seine Zukunft aussehen wird? „Grundsätzlich wünsche ich mir, dass ich den Kontakt halten kann. In zwölf Jahren hat man ja viele Freunde gewonnen. Beim TSV Dettingen haben sie auch schon angefragt, ob ich vielleicht Technik-Trainer machen kann. Jetzt will ich erst einmal das Studium zum Laufen bringen und sehen wie sehr mich das beansprucht, aber der Szene werde ich sicher nicht den Rücken kehren“, sagt Nicolai.

Ein Bundesliga-Rennen werde er 2014 „sicher nicht“ fahren. „Stand jetzt werde ich Radfahren wie ich Lust habe“, meint er. Vielleicht aber setzt er in einigen Jahren ja um, was ihm schon lange vorschwebt: Nach der aktiven Karriere als Team-Manager zu wirken.

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