Sponsoren-Streit: Schweden fahren nicht zur WM

FOTO | Es geht unter anderem um diesen Helm, den Jenny Rissveds einmal, bei der EM in Schweden 2016 getragen hat. ©Andreas /Dobslaff/EGO-Promotion

UPDATE! Die Weltmeisterschaften in Cairns werden scheinbar ohne schwedische Beteiligung über die Bühne gehen, das heißt auch ohne Olympiasiegerin Jenny Rissveds (Scott-Sram) und ohne Alexandra Engen (Ghost Factory Racing). Ein seit eineinhalb Jahren schwelender Streit um Sponsoren, respektive um Verträge hat nun vollends zum Eklat geführt. Jenny Rissveds hat sich jetzt per Facebook zu Wort gemeldet und von Poc, um deren Vertrag es geht, hat ein Statement veröffentlicht.

 

In den schwedischen Medien wird seit ein paar Tagen drüber debattiert, Pinkbike hat am heutigen Dienstag ein Interview mit Thomas Frischknecht veröffentlicht, in dem der Scott-Sram Team-Manager versucht die Sachlage und die Vorgeschichte darzustellen, sowie seine Position zu begründen.

 

Zusammengefasst geht es um Folgendes:

Der Schwedische Radsportverband SCF hat einen Vertrag mit dem Ausrüster Poc geschlossen, der beinhaltet, dass die schwedischen Radsportler (aller Disziplinen) bei internationalen Meisterschaften Helme und Brillen von Poc tragen müssen.

Athleten wie Jenny Rissveds und Alexandra Engen haben jedoch Verträge, nach denen sie Scott-Helme und Oakley-Brillen (Rissveds), bzw. Cratoni-Helme und Adidas Eyewear (Engen) präsentieren müssen.

Vom Vertrag mit Poc, und das ist sicherlich ein wesentliches Detail, haben die Sportler erst zu Beginn des Olympiajahres Kenntnis erhalten. Als die Verträge mit den Teams längst gemacht waren.

Das heißt, darauf pocht auch Thomas Frischknecht, dass die Sportler vertragsbrüchig werden würden, wenn sie sich dazu verpflichten in Poc zu fahren. Genau das verlangt der Schwedische Verband. Die Athleten sollen eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnen. Ohne diese Unterschrift, so die jetzt umgesetzte Drohung, würden sie nicht für EM und WM nominiert.

Weder Rissveds, noch Engen und Junioren-Weltmeisterin Ida Jansson haben das Schriftstück unterzeichnet. Woraufhin der Schwedische Verband bekannt gab, niemand zur WM zu entsenden. Update: Jenny Rissveds hat am Mittwoch (16.8.) per Facebook ein Statement veröffentlicht, in dem sie versucht ihre Situation darzustellen, gleichzeitig aber kein Öl ins Feuer zu gießen. (Ergänzt, 16.8.13:30. Es gehe nicht um sie und auch nicht um den Schwedischen Verband in Allgemeinen und sie verweist auf das Bemühen der UCI und von Poc, die versucht hätten „das Problem zu lösen“.

Auch von Sponsor Poc gibt es eine Stellungnahme, in der man einerseits unterstreicht, dass man sich 2016 schon bei Olympia (und der WM) kompromissbereit gezeigt habe und andererseits weiter „nicht zögern“ werde um alle Wege zu überdenken, die es Jenny Rissveds und anderen Athleten ermöglichen an der WM teilzunehmen.

 

Der Hintergrund

Es gibt eine Regel, die vorschreibt, dass man bei EM und WM (und Olympia) das nationale „Kit“ tragen muss. Usus ist, dass die Sportler bei Europa- und Weltmeisterschaften jeweils das nationale Trikot und die zugehörige Hose tragen. Doch es gibt keine Regel des Radsport-Weltverbands UCI, die das auf Trikot und Hose einschränkt.

Im Grunde, so argumentiert Frischknecht und nicht nur er, könnte der nationale Verband auch einen Kontrakt mit einem Bikehersteller unterzeichnen und dann müssten nach deren Logik Scott-Sram-Fahrer mit den Sportgeräten eines großen Marken-Konkurrenten antreten. Abgesehen davon, dass das in den meisten Fällen für einen Mountainbiker ein Handicap wäre, würde das auch die komplette Finanzierung der Rennställe in Frage stellen.

 

Die Vorgeschichte

Frischknecht hat schon im Vorjahr mit anderen Team-Managern ein entsprechendes Schreiben aufgesetzt und die UCI gebeten, diesen Konflikt zu lösen. Auch für die Zukunft. Doch das ist nicht geschehen. Bei der EM in Schweden 2016 war Frischknecht entgegen gekommen, so dass Rissveds in ihrem Heimatland mit einem Poc-Helm die Europameisterschaften bestreiten konnte.

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Olympiasieg mit dem Scott-Helm: Jenny Rissveds ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Den Rest, die WM und Olympia, fuhr sie mit einem Scott-Helm. Der Streit konnte aber nicht ausgeräumt werden, beide Seiten blieben stur. Mussten es bleiben, oder glaubten, es bleiben zu müssen. Jetzt kulminiert die Auseinandersetzung erst mal mit dem WM-Verzicht.

Damit steht man jetzt vor einem nicht geringen Scherbenhaufen. Abgesehen von einer verpassten WM-Teilnahme (und auch EM-Teilnahme) seitens Rissveds, Engen und Co. und einer immensen Belastung bei Jenny Rissveds, die mit ihrem Verband seit nun mehr eineinhalb Jahren im Clinch liegt. Und mit diesem Druck nicht klar kommt.

Ein Vertrag, der auch in Zukunft Probleme bereiten kann

Alexandra Engen hat ihren Team-Manager Tom Wickles die Gespräche führen lassen und sich so gut wie möglich herausgehalten. Ihre Meinung dazu ist allerdings eindeutig: „Vor allem finde ich die Art und Weise, wie das alles passiert, schlimm. Der Vertrag wurde uns präsentiert, nachdem wir schon längst bei unseren Teams unterschrieben haben. Wir wurden auch nicht gefragt. Ich finde es traurig, dass wir deshalb nicht zur WM fahren können. Grundsätzlich stelle ich mich auf die Seite der Teams. Klar ist EM und WM wichtig, aber wenn man das ganze Jahr sieht, muss man sehen, wer uns finanziert und uns den Sport auf hohem Niveau ermöglicht.“

Die ehemalige U23-Weltmeisterin verweist noch auf einen anderen Aspekt. „Wenn man das auf längere Sicht sieht, können wir Schweden mit diesem Vertrag ein Problem bekommen“, meint Engen. „Es wird schwierig uns Schweden anzustellen, wenn wir solche Einschränkungen haben. Wir sind ein kleines Land und es ist sowieso schwer für uns bei einem internationalen Team einen Vertrag zu bekommen.“

Klar, so Engen, der Verband müsse auch versuchen Gelder zu akquirieren, aber das greife zu weit in den Profi-Betrieb ein.

 

Es braucht: Eine Regelung der UCI

Die Schweden sind übrigens nicht der erste Verband, der mit MTB-Profi-Teams in Konflikt gerät. Bart Brentjens hatte es mit British Cycling zu tun, schon als Annie Last bei ihm fuhr und auch wegen Grant Ferguson gibt es, gab es Diskussionen mit den Briten.

Eine klare Lösung tut not und die Richtlinie dafür kann eigentlich nur vom Radsport-Weltverband kommen. Die UCI muss dabei auch dem Umstand Rechnung tragen, dass im Mountainbike-Sport andere Strukturen zum Tragen kommen, als im Teamsport auf der Straße. Denn damit argumentiert der Schwedische Verband.

„Die sagen, die machen das alle, nur Ihr Mountainbiker nicht“, erzählt Alexandra Engen. Das ist aber auch keine Individualsportart, bei dem individuelles Kopf-Sponsoring von Bedeutung ist. Und eine WM ist längst nicht das bedeutendste Rennen im Jahr.

 

Im Fußball kicken die deutschen Weltmeister übrigens auch alle im Adidas-Trikot und -Stutzen, aber in Nike- oder Puma-Kickstiefeln. Darüber gab es natürlich auch irgendwann mal Streit. Aber dass deshalb ein Profi eine WM versäumt hätte, davon ist nichts bekannt.

 

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