Stefan Sahm: Eine neue Heimat und die fiesen Intervalle

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Stefan Sahm wird zum Wahl-Südafrikaner ©Sportograf

Es ändert sich viel und doch wieder nicht. Stefan Sahm vom Team Bulls verlegt seinen Wohnsitz aus der Schweiz, wo er mit Ehefrau Bettina und dem Töchterchen Elin in den vergangenen fünf Jahren lebte, nach Südafrika. Acrossthecountry.net hat sich vor Kurzem mit dem 38-Jährigen Exil-Schwaben über die Gründe für die Veränderung, seine schwierige Zeit nach einer Thrombose und über seine Pläne für die Zukunft unterhalten.


Stefan, du schlägst deine Zelte in Südafrika auf. Warum?

In erster Linie geht es darum, mehr Zeit als Familie zu verbringen. Das ist in der Schweiz fast nicht möglich, weil dort die Kosten viel höher sind. Wir müssen im Prinzip beide arbeiten, damit das funktioniert. In Südafrika können wir uns den Luxus erlauben auf das Einkommen von Bettina zu verzichten. Und klar, ein weiterer Grund ist, dass Südafrika schon länger eine zweite Heimat ist. Ein paar meiner besten Kollegen und Freunde kommen von dort. Wir werden jetzt erst mal in Stellenbosch in einem Guest House logieren und uns dann nach einer geeigneten Wohnung umschauen.

Wie alt ist deine Tochter Elin?
Dreieinhalb. Das war auch so ein Grund, den Schritt jetzt zu machen, so lange noch keine Schulpflicht besteht. Sie ist in einem Alter, in dem sie die Sprache schnell aufgreifen wird. Sie hat ohnehin ein Ohr für Sprachen. Zuhause redet sie Bern-Deutsch und sobald sie bei meinen Eltern in Mössingen ist, stellt sie komplett um und versucht Hochdeutsch zu reden mit schwäbischem Einfluss.

Wie ist das mit Visum in Südafrika?
Es ist für mich relativ einfach ein Athleten-Visum zu bekommen, weil ich dann finanziell unabhängig bin. Durch die lange Zeit in Südafrika, durch das Cape Epic und so, genügend Kontakte, die mir da helfen können. Mein Netzwerk ist ganz gut ausgebaut.

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Cape Epic in Südafrika: Der dreifache Sieger Stefan Sahm hat 2015 eine kürzere Anreise. ©Sportograf

Du hast in Südafrika doch auch ein Bein im Bike-Business?
Ja, das hängt damit auch zusammen. Stage Nine Distribution, die Firma, die ich mit Karl (Platt, Teamkollege) und Vincent (Durand, Physio) dort zusammen habe. Wenn ich in Südafrika lebe, kann ich für die Firma auch mehr machen und es ist auch eine Sache für nach der Karriere.

Um was geht es bei Stage Nine?
Wir vertreiben in Südafrika und Namibia Schwalbe und Abus und haben Vertriebsrechte für Bulls. Nebenbei habe ich noch ein größeres Projekt mit Sahmurai (sein „Kampf-Name“ und Brand seiner selbstgebauten Bikes). Da geht es aber nicht um die Fahrräder, sondern um was anderes. Das wird dann bald veröffentlicht.

Die Sahmurai-Sache, hat die nichts mit Fahrrädern zu tun?
Doch, aber das kann ich noch nicht erzählen. Ich muss es ja ein bisschen spannend machen (lacht).

Wie lange willst du noch Rad fahren?
So lange es geht. Fahrrad fahren werde ich sicher mein ganzes Leben lang (lacht).

Und als Profi?
Ich habe 2015 noch Vertrag, aber beim großen Chef Georg Honkomp (Vorstandsvorsitzender der ZEG-Gruppe, von der die Bulls-Räder stammen) habe ich schon angefragt, ob ich ein Jahr verlängern kann, bis 2016. Ich bin noch sehr motiviert und habe Spaß dran Rennen zu fahren. Es wären dann genau zehn Jahre bei Bulls. Das wäre ein ganz cooler Abschluss für die Rennfahrer-Karriere.

Was wird sich 2015 durch den Umzug ändern?
Ich werde vermutlich mehr Sachen in Südafrika machen. Aber wenn man ehrlich ist, dann hat unsere Vorbereitung sowieso schon Dezember bis April in Südafrika stattgefunden. Vom Trainingslager über Vorbereitungsrennen bis zum Cape Epic. Deshalb ist die Umstellung nicht so groß. Es wird für mich einfacher weil die Reiserei nicht mehr dazu kommt. Ich habe dort quasi den Sommer und ideale Trainingsbedingungen. Wie es dann mit dem Sommer in Europa aussieht, das muss ich noch planen. Ich werde dann vielleicht mal sechs bis acht Wochen hier in Europa sein und fahre einen Block mit wichtigen Rennen.

Kann es sein, dass deine Leistungsfähigkeit im Laufe dieses Jahres nochmal angestiegen ist?
Definitiv. Ich habe ein paar Sachen probiert, die ich sonst nicht so gemacht habe. Oder viel zu wenig, sagen wir so. Eigentlich das Einmal-Eins aus der Trainingslehre. Man muss sich wohl mal dran erinnern, oder besser: man braucht einen Impuls. Für mich war das dann die Vorbereitung auf die Deutsche Meisterschaft in St. Ingbert. Ich wusste, die Strecke liegt mir eigentlich nicht. Um einfach nicht so sehr leiden zu müssen, habe ich mich gefragt: was muss ich machen, damit ich die kurzen, knackigen Anstiege leichter fallen. Dann habe ich halt Intervalle trainiert, also, richtig fiese Intervalle. Das hat wohl funktioniert.

Das klingt so ein bisschen nach der Trainingssteuerung von Markus Kaufmann.
(Grinst). Über Markus wird ja in der Szene viel diskutiert.

Ja? Weshalb?
Weil er halt eine brutale Maschine geworden ist in den letzten Jahren. Er hat eine riesige Entwicklung gemacht und hat Leistungsdaten wie die Fahrer vorne bei der Tour de France fahren. Das ist abartig.

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Bei der Trans-Zollernalb konnte Stefan Sahm eine gute Rolle spielen und verhalf Teamkollege Simon Stiebjahn mit zum Sieg. ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Er ist im Moment der stärkste Fahrer am Berg, das muss man ganz klar sagen.

Es geht bei ihm wohl auch um sehr viele Intervalle.

Damit kann ich mich nicht vergleichen. Ich habe ja erst vier Wochen vor der DM damit angefangen. Deshalb sehe ich aber, trotz meines fortgeschrittenen Alters, noch Potenzial. Weil das Reize sind, die ich sonst noch nicht so gesetzt habe. Die Grundlage habe ich ja durch meine vielen Jahre. Vielleicht ist es etwas, das bei mir gut funktioniert.

Deine Thrombose im Bein (Frühjahr 2011) war ein Einschnitt. Danach bist du ja im Grunde nie mehr an das vorherige Niveau heran gekommen.

Das war ein krasser Einschnitt.

Wie siehst du das im Rückblick?
Ich habe sicher Fehler gemacht im Aufbau, definitiv. Es war nach der Thrombose so unsicher, ob ich überhaupt wieder Rennen fahren kann und auf welchem Niveau. Für 2012 habe ich in der Vorbereitung schon Fehler gemacht und das hat sich wie ein roter Faden durch die Saison gezogen.
Wenn du halt mal an einem Punkt Fehler machst, dann reißt es alles mit hinein. Klar, im Nachhinein ist man immer schlauer. Für mich war es 2012 frustrierend, aber es war trotzdem die Bestätigung, dass ich trotzdem noch Rennen fahren kann. Auf welchem Niveau auch immer.
Meine Angst war halt, dass ich die Etappenrennen nicht mehr würde fahren können, dass mein Bein das nicht mehr mitmacht. Und dann kommt dazu: jeder will helfen, alle meinen es gut, ich nehme Ratschläge auch an, aber irgendwann war es auch zu viel. Viele Köche verderben den Brei. Ich musste wieder mein eigenes System finden. Das hat einfach lange gedauert.

Noch die ganze Saison 2013 hindurch?
Ja, ja. Aber da kam noch dazu, dass das Programm zu viel war. Ich habe mich auf die UCI Marathon Serie konzentriert, aber die ganze Reiserei war kontraproduktiv. Die Gesamtbelastung war zu hoch.

Und jetzt geht es wieder zurück an die Spitze?

Die letzten Wochen waren für mich interessant. Du siehst Leute wie Markus Kaufmann oder wie Simon Stiebjahn (Bulls-Teamkollege), der raketenmäßig nach vorne schießt. Der ist 14 Jahre jünger. Dass die biologische Uhr tickt, ist auch klar. Irgendwann hört es halt auf. Die letzten paar Wochen waren aber doch sehr motivierend, zu sehen, dass man die Leistungskurve noch mal nach oben schrauben kann. Schön ist auch, dass es von außen wahrgenommen wird. Das bestätigt einen.

Stefan Sahm (*24.8.1976) hat 1995 als 19-Jähriger beim Team Dorn, später Alb-Gold, begonnen MTB-Rennen zu fahren. Von 2001 bis 2004 agierte er für das Team T-Mobile, wechselte dann für zwei Jahre zum Giant Racing Team, bevor er ab 2007 mit Karl Platt die Ur-Besetzung des Team Bulls bildete und dann seinen Schwerpunkt vom Cross-Country auf die Marathon-Distanz verlegte.
Dreimal gewann er mit Karl Platt das Absa Cape Epic, zweimal war er Deutscher Vize-Meister im Marathon und einmal Dritter. Das gelang ihm auch zweimal in der Cross-Country-Disziplin. Sein bestes Weltcup-Resultat war Rang 15 in Fort William im Jahre 2003.

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