Weltcup Lenzerheide Nachgedreht (1): Der beste Franzose sein und mit Spaniern rechnen

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Tolles Publikum, schöne Atmosphäre: Herren-Start in Lenzerheide. Ein Bild auf dem man erkennen kann, dass Nino Schurter (mitte) am Start gerade Probleme bekommt. ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

 

Zuschauer, Stimmung und doch ein Doppel-Event 2017. Was bei Julien Absalon Kräfte freisetzte und Jaroslav Kulhavy eben nicht. Warum man mit den Spaniern rechnen sollte und künftig auch wieder mit Lukas Flückiger. Warum man in Lenzerheide die Höhenlage einkalkulieren sollte und warum zwei Multivan-Merida-Fahrer Hochrechnungen anstellen mussten. Und warum Ben Zwiehoff von der Bildfläche verschwand und schließlich der Hinweis auf einen deutschen U23-Fahrer, der das Ranking der größten Sprünge anführt. Nachgedreht, was hier noch nicht geschrieben stand.

 

18000 Zuschauer meldete der Veranstalter in Lenzerheide am Sonntagabend. Samstag zum Downhill und Sonntag zum Cross-Country zusammengerechnet. Den Sieg von Nino Schurter feierten jedenfalls mehr Zuschauer als voriges Jahr und sie produzierten an der Rothorn-Bahn eine tolle Stimmung. So reihte sich Lenzerheide ein in den Reigen sehr guter Cross-Country-Events, die dem Sport eine gute Basis geben.

Lenzerheide wird übrigens 2017 doch wieder einen Doppel-Event haben. Weil an der Rothorn-Bahn ein neues Hotel erstellt wird, hatte man wegen Platzmangel eigentlich auf Downhill verzichten wollen. Oder müssen. Doch vor rund zwei Wochen kam von den Behörden grünes Licht. „Wir dürfen nächstes Jahr die ganze Straße sperren und als Team-Areal nutzen. Dadurch können wir jetzt doch einen Downhill durchführen“, erkläre die Medien-Verantwortliche Marlen Rogenmoser gegenüber acrossthecountry.net.

Dem Radsport-Weltverband UCI wird’s Recht sein, denn 2017 dient als eine Art Generalprobe für die WM 2018 in Lenzerheide.

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Julien Absalon (BMC Racing) musste nach einem Renndrittel Federn lassen. „Ich konnte nicht schneller, das war mein Maximum“, bekannte der Franzose. Dann passierte er Jaroslav Kulhavy, nachdem der einen Plattfuß hatte. Und er realisierte, dass vor ihm noch zwei Franzosen unterwegs waren: Die beiden BH-Sr Suntour-KMC- Fahrer Maxime Marotte und Victor Koretzky.

„Es wäre das erste Mal gewesen, dass die mich unter regulären Bedingungen (ohne Sturz oder Defekt) im Weltcup geschlagen hätten“, ließ Absalon erkennen, was noch mal Kräfte freisetzte. Er überholte Koretzky, der später mit Plattfuß noch weiter zurückfiel und schließlich musste auch noch Marotte dran glauben. Am Ende war die gewohnte Hierarchie wieder hergestellt und Absalon hinter Schurter auf Rang zwei.

Was wiederum seine Aussichten auf seinen siebten Weltcup-Gesamtsieg steigen ließ. Der Rückstand auf Schurter beträgt 90 Punkte, doch der Schweizer wird in Mont Sainte Anne nicht antreten. Im günstigen Fall könnte er mit einem Sieg in Kanada (250 Punkte) also mit 140 Zähler Vorsprung auf Maxime Marotte oder 160 auf Nino Schurter ins Finale gehen.

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Der Blick zurück von Julien Absalon: Die Landsleute doch noch abgehängt ©Thomas Weschta/EGO-Promotion

 

Jaroslav Kulhavy (Specialized Racing) gestand, dass er nach seinem Defekt „nicht mehr ganz so motiviert“ gewesen sei. Ob er sich fit genug für einen Sieg gefühlt hätte? „Vielleicht“, zuckte Kulhavy mit den Schultern, aber so hundert Prozent sicher war er über seine Verfassung nicht.

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Florian Vogel (Focus XC) verpasste das Podium in Lenzerheide nur knapp. Er war mit Stephane Tempier (Bianchi-Counterveil), Victor Koretzky und Lukas Flückiger in einer Vierer-Gruppe von Platz fünf bis acht in die letzte Runde gegangen. Vogel war der Stärkste in dieser Gruppe und ließ die anderen Drei hinter sich. „Aber mit dem Spanier habe ich nicht mehr gerechnet“, bekannte Vogel im Ziel. „Der Spanier“, das war David Valero (MMR), der mit seinem Landsmann und Teamkollegen Carlos Coloma zehn Sekunden hinter der Vierergruppe die siebte Runde beendet hatte.

Valero markierte die schnellste Schlussrunde und fuhr erstmals in seiner Karriere aufs Weltcup-Podium.

„Schade, Podium wäre schön gewesen. Aber ich bin mit meiner Leistung zufrieden, auch weil es eine meiner besten in der Höhe gewesen ist“, kommentierte Vogel.

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Lukas Flückiger (BMC Racing) notierte einen weiteren kleinen Schritt nach vorne. Bis dato war der 32-Jährige dieses Jahr noch nicht in die Regionen gekommen, in denen man ihn erwartet. Jetzt reichte es als Neunter erstmals 2016 in die Top Ten, auch wenn er auf

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Erstes Top-Ten-Resultat 2016: Lukas Flückiger ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

seine eigentliche Stärke, das Finish diesmal nicht zurückgreifen konnte. Sonst hätte er womöglich das Podium erreicht.

Warum es bis dato nicht gelaufen ist? „Schwer zu sagen. Es kann sein, dass die Operation am Steißbein, zwei Wochen vor dem ersten Weltcup, doch mehr Einfluss hatte, als ich glauben wollte. Aber das will ich nicht als Entschuldigung hernehmen“, meinte Flückiger. In Mont Sainte Anne, so kündigte er am Sonntag an, wolle er dann wieder auf dem Weltcup-Podium stehen.

Teamkollege Reto Indergand war bis zur sechsten Runde in den Top 15, ehe er durch einen Defekt aussichtslos zurückgeworfen wurde und das Rennen auf dem 39. Platz beenden musste.

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Mathias Flückiger (Stöckli Pro Team) rätselte am Sonntag über einen schwarzen Tag. Am Montag wurde ihm bei der Fehler-Analyse klar, dass er „der Höhe keine Beachtung geschenkt“ habe. Lenzerheide ist eine echte Höhenlage, doch der höchste Punkt der Strecke erreicht fast 1700 Meter.

„Das ist bei der Intensität, wie sie in einer Startphase stattfindet schon beträchtlich und ich reagiere sensibel auf die Höhe“, meint Mathias Flückiger. Und er fand Parallelen aus dem Jahr 2013 als in Lenzerheide die Schweizer Meisterschaften ausgetragen wurden. Da ging es für ihn auch schief. „In der Startphase habe ich damals derart zerstört, dass ich mich nicht mehr erholt habe“, so Flückiger. Genau dasselbe ist ihm am Sonntag wieder passiert. „Nach drei Minuten Fahrzeit kam der Hammer und ich war flach.“

2014 und 2015 war er vor den Rennen in Lenzerheide (BMC Racing Cup und Weltcup) jeweils in der Höhe und kam dann gut zurecht. Zweiter 2014 nachdem er den Sprint gegen Nino Schurter verloren hatte und Vierter beim Weltcup 2015.

Weil eine Höhenanpassung nach der WM nicht möglich war, hätte er einfach das Rennen dosierter angehen müssen. „Für das Weltcup-Finale in Vallnord werde ich mir das merken“, versuchte Flückiger seine Lehren zu ziehen.

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Pech in der Startphase: Ondrej Cink ©Andreas Dobslaff/EGO-Promotion

 

Ondrej Cink (Multivan-Merida) beklagte, dass er im Startberg auf der rechten Seite des Feldes blockiert wurde, bremsen musste, dann mit einem großen Gang nicht mehr gut weg kam und so viele Plätze verlor.

Lediglich als 27. kam er aus der ersten Runde. „Ich musste viel Kraft investieren. Das hat mich heute das Podium gekostet, die Form ist da“, stellte er für sich fest. Am Ende war er Zehnter und mit sich selbst prinzipiell nicht unzufrieden.

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Thomas Litscher (Multivan-Merida) hatte bereits in der Startrunde einen Reifendefekt. Nach der ersten Runde war er 30, wobei man bedenken muss, dass er mit Startnummer 51 immer noch ziemlich weit hinten ins Rennen gegangen ist. Dann marschierte er ab Runde drei nach vorne, bis er in der sechsten Runde an 14. Stelle angekommen war.

„Dann musste ich ein bisschen rausnehmen, die Beine haben ein bisschen gezwickt. Ich wollte das Resultat sichern“, erklärte Litscher. „Der Platten hat sicher 40 Sekunden gekostet.“ Hochgerechnet wäre wohl ein Top-Ten-Ergebnis herausgekommen. „Ich bin auf jeden Fall zufrieden mit meiner Leistung.“

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Defekt in Runde eins: Thomas Litscher ©Andreas Dobslaff/EGO-Promotion

 

Matthias Stirnemann (Möbel Märki) könnte auch einer derjenigen gewesen sein, denen die mittlere Höhenlage einen Streich gespielt hat. Nach gutem Start wurde der WM-Sechste nach hinten durchgereicht. Am Ende war es Rang 30. „Ich habe meine optimale Leistungsbereitschaft für ein Rennen in der Höhe trotz geänderter Vorgehensweise gegenüber dem letzten Jahr noch nicht gefunden“, konstatiert Stirnemann in einer Pressemitteilung. An der Form kann es eine Woche nach der WM ja nicht gelegen haben.

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Das Pflaster auf Zwiehoffs (hinten) linkem Knie. In Runde eins war er mit Georg Egger noch in den Top Ten, dann kamen die Krämpfe ©Erhard Goller

 

Manch einer wird sich gefragt haben, wo Ben Zwiehoff (Bergamont-Hayes) abgeblieben ist. Der Essener gab das U23-Rennen auf. Am Mittwoch hatte er sich beim Zwischenstopp bei seinem Kumpel Martin Frey beim Training auf der Schwäbischen Alb abgelegt und sich dabei am Knie verletzt.

„Am Anfang ging es noch ganz gut, aber schon nach zwei Runden habe ich Krämpfe bekommen. Ich denke, das hat mit der Verletzung zu tun. Bis zur DM müsste das aber wieder gut sein“, meinte Zwiehoff nach seinem Ausstieg.

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Christian Pfäffle (Stevens MTB Racing) hat sein Reifendefekt in Runde drei wohl eine erneute Spitzenposition in Ranking der größten Sprünge gekostet. Mit Startnummer 77 als 67. aufgerufen (10 Fahrer aus der Meldeliste waren nicht am Start), machte er 30 Positionen gut. Der Tagesbeste im Elite-Feld war Miguel Martinez (von 82 auf 31).

Im U23-Rennen war aber ein Deutscher ganz vorn: Tobias Eise (HWG Gedern) fuhr von Startplatz 97 auf die 49. Position (+48) nach vorne. Lars Koch (Lexware Mountainbike Team) wird an fünfter Stelle geführt. Er jagte von 100 auf 60 nach vorne, verbesserte sich also um 40 Positionen. Siehe www.mtbcrosscountry.com

Außer einem guten Gefühl bringt es beiden allerdings nicht, weil im U23-Weltcup Punkte ja nur bis Rang 25 verteilt werden.

 

 

 

 

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