Weltcup MSA Nachgedreht: Eine unerkannte Legende steht im Stau

Defekt-Pausen, die vielleicht nicht schlecht sind. Ein Trikot, an das man sich gewöhnen muss. Ein Ex-Meister mit offensiver Strategie. Eine Woche mit Käse. Die Weltmeisterin im Start-Crash, ohne eigenes Bike und ohne Rhythmus. Wie man ohne zu fahren trotzdem auf dem Podium stehen kann. Vom Weltcup in Mont Sainte Anne Nachgedreht, was hier noch nicht geschrieben stand.

 

Mathias Flückiger (Radon Factory Racing) war einer der wenigen Fahrer, die von einem Defekt zurückgeworfen wurden. Als er sich den Plattfuß einfing, war Flückiger gemeinsam mit Manuel Fumic unterwegs, bevor der nach vorne aufschloss.

Von Position 15 aus musste sich Flückiger nach dem Laufrad-Wechsel wieder nach vorne orientieren.

„Schade, für die Top Fünf hätte es wohl gereicht, zu mehr aber auch nicht. Es ist mir schon am Anfang etwas schwer gefallen“, erklärte Flückiger und fügte mit einem Grinsen hinzu: „Vielleicht war die Pause da gar nicht schlecht. Allerdings hat es auch gedauert, bis ich wieder in den Rhythmus kam.“ Am Ende sicherte er Platz sieben, in dem er Jaroslav Kulhavy im Sprint bezwang.

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Jaroslav Kulhavy im Sprint bezwungen: Mathias Flückiger ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

 

Thomas Litscher (jb Brunex Felt) fährt als Elfter sein bestes Saisonresultat ein, doch er registriert das mit einer gewissen Bitterkeit. Achter hätte er werden müssen, um sich noch für ein WM-Ticket zu empfehlen. Da hin fehlt ihm als Elfter eine gute halbe Minute.

„Ein gutes Rennen, das Ziel aber leider verpasst. Als viertbester Schweizer habe ich eigentlich genug gezeigt“, meint Litscher, der in dieser Saison lange an Rückenproblemen laboriert hat. Dass er „genug“ gezeigt hat, das sah man dann aber auch bei Swiss Cycling so. Litscher steht nun doch auf der Liste der für die WM Selektionierten, wie es in der Schweiz heißt.

Der Lapsus, der ihm und ein paar anderen Fahrern in seiner Gruppe am Ende passiert ist, war aber wohl nicht entscheidend. Litscher und Co. dachten eine Runde zu früh ans Ende und bereiteten schon in der Vorschluss-Runde den Sprint vor. „Dann haben mir in der wirklich letzten Runde natürlich die Körner gefehlt“, so Litscher.

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Platz zehn: Reto Indergand in der „Beatrice“, hinter ihm der Elfte: Thomas Litscher ©Andreas Dobslaff

 

13 Sekunden vor ihm war Reto Indergand (BMC Racing) als Zehnter ins Ziel gekommen. Der hatte sich in Mont Sainte Anne für eine andere Strategie als sonst entschieden. „Ich wollte heute das Rennen mal verhalten angehen, damit ich es durchziehen kann. In den letzten Rennen bin ich immer eingebrochen, deshalb wollte ich nichts riskieren. Das hat sich ausgezahlt“, meinte ein glücklicher Indergand nach dem Rennen. Von Platz 21 nach der Startrunde fuhr er sich langsam aber sicher nach vorne und war damit drittbester Schweizer.

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Julien Absalon (BMC Racing) belegte in Mont Sainte Anne Platz 13. Das war wohl eine seiner schlechtesten Platzierungen dort. „Im Verkehrs-Stau“ sei er nach einem schlechten Start gestanden. Von Platz 37 nach der Startrunde mühte sich durchs Feld. Der Franzose ist Rekordsieger beim Klassiker. Sechsmal hat er gewonnen, zweimal war er Zweiter, einmal Dritter.

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Julien Absalon im ganz gewöhnlichen BMC-Trikot ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Im Übrigen fällt es im Feld gar nicht mehr so leicht den erfolgreichsten Biker aller Zeiten zu erkennen. Erstmals seit Anfang der 2000er fährt er bei den Weltcups  in einem ganz gewöhnlichen (BMC-) Trikot. Die bisherigen Insignien der Macht, die er 15 Jahre lang getragen hatte, waren wahlweise das Französische Meister-Trikot, das Regenbogen-Jersey, das Weltcup-Leaderjersey oder auch das des Europameisters. Die nächste Gelegenheit das Kleidungsstück wieder zu tauschen: Die WM in Cairns.

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Markus Schulte-Lünzum (Focus XC) kam 33. Stelle ins Ziel. Damit war er – O-Ton – „nicht unzufrieden“. Seine Strategie war diesmal, sich schon am Beginn nicht zurück zu halten. „Weil das zuletzt eher das Problem war.“

Dadurch sei die zweite Runde für ihn aber „richtig hart“ geworden. Dann spürte er seinen Rücken, was den Vorwärtsdrang auch etwas bremste. „Ich bin aber dran geblieben und in der zweiten Rennhälfte ging es dann eigentlich“, fasste Schulte-Lünzum zusammen. Die letzten beiden Runden wurden seine Zeiten besser, aber die großen Sprünge waren damit nicht mehr zu machen.

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Schneller Start, harte zweite Runde: Markus Schulte-Lünzum ©Andreas Dobslaff/EGO-Promotion

 

Ben Zwiehoff (Bergamont) konnte sieben Tage nach seiner guten Leistung bei der EM nicht daran anknüpfen. Nur Rang 48 stand zu Buche, das war eher eine Enttäuschung. Über die Gründe konnte er erst mal nur spekulieren, aber es gab dafür einigen Stoff. Von seinem Sturz bei der EM hatte er Schulter- und Rückenprobleme mitgenommen, die Anreise war wegen eines ausgefallenen Fluges auch eher kurzfristig und dann wurde er am Start auch noch in einen Sturz verwickelt.

„Ich bin nicht richtig vom Fleck gekommen, hatte das ganze Rennen keinen Dampf“, gestand er. „Die ganze Woche war irgendwie Käse.“

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Irina Kalentieva (Möbel Märki) stand nach fast zwei Jahren Pause auch mal wieder auf dem Weltcup-Podium. Die Russin wurde Fünfte, nachdem sie den Zweikampf mit der Kanadierin Emily Batty um Rang vier verloren hatte.

Für Kalentieva scheint sich der Verzicht auf die EM gelohnt zu haben. „Es war ein hartes Rennen, aber ich bin glücklich über mein Resultat“, konstatierte Kalentieva.

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Zwei strahlende Gesichter aus einem Team: Corina Gantenbein und Irina Kalentieva ©Andreas Dobslaff/EGO-Promotion

Ihre Teamkollegin Corina Gantenbein landete auf Platz zwölf. Für Gantenbein war es das zweitbeste Weltcup-Resultat ihre Karriere. Entsprechend zufrieden war auch sie damit. Phasenweise investierte sie und lag an zehnter Stelle. „Weil ich sonst in den Abfahrten immer blockiert war“, erklärte sie. Das konnte sie zwar nicht halten, doch sie blieb bis zum Ende stabil.

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Alessandra Keller vom Team Radon Factory XC benötigt nach dem Sturz am Start zwei Runden, um ihren Rhythmus zu finden. Sie wird am Ende Neunte. „Ich weiß auch nicht, ob das mit dem Sturz zusammenhing, vielleicht sind auch die Prüfungen an der Uni gerade etwas zu viel“, meint Keller kritisch. „Ich bin jedenfalls nicht zufrieden.“

Alessandra Keller, hier vor Annika Langvad (rechts) und Corina Gantenbein im Streckenteil "La Patriot" ©Andreas Dobslaff/EGO-Promotion
Alessandra Keller, hier vor Annika Langvad (rechts) und Corina Gantenbein im Streckenteil „La Patriot“ ©Andreas Dobslaff/EGO-Promotion

 

Ihre Schweizer Landsfrau Linda Indergand (Focus XC) laborierte an einer Verletzung am Knöchel. Im Training am Donnerstag hätte sie sich den „verknackst“ so die Vize-Europameisterin. So konnte sie auch nicht auf der Strecke trainieren wie sie wollte und die Entscheidung über einen Start fiel auch erst am Samstag.

Die Einschränkung am getapten Fußgelenk war dann aber nicht wegzudiskutieren. „Unter diesen Umständen, bin ich zufrieden mit Platz zehn“, sagte Indergand, die ihre zwischenzeitliche siebte Position nicht halten kann.

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Annika Langvad (Specialized Racing) wurde 13. Die Weltmeisterin musste auf ihr Original-Bike verzichten. Das steckte noch immer in Toronto fest, so dass man ihr ein Neues aufbauen musste.

Dann wurde sie in den Start-Crash mit Jenny Rissveds verwickelt und wurde weit zurückgeworfen. „Ich habe dann auch nicht zu meinem Rhythmus gefunden“, zuckte Langvad mit den Schultern. „So Tage gibt es, die nächsten werden besser.“

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Maja Wloszczowska (Kross Racing Team) war am Sonntag nur am Streckenrand zu sichten. Der Haarriss am Handgelenk hatte sie dann doch dazu bewogen, auf einen Start zu verzichten. „Es ist nicht einfach solche Entscheidungen zu treffen“, bekannte die Polin beim kurzen Talk, während sie im Herren-Rennen Teamgenosse Fabian Giger anfeuerte.

„Aber das Risiko auf dieser Strecke ist nicht gering. Bis jetzt ist es noch kein richtiger Bruch, aber es könnte einer werden, wenn ich nicht aufpasse“, erklärte sie ihre Vernunftentscheidung.

Auch ohne einen Meter Wettkampf gefahren zu sein, stand sie dennoch auf dem Podium. Das Kross Racing Team, dem ja in Mont Sainte Anne auch Jolanda Neff fehlte, bleibt im Team-Ranking der Damen ganz vorne. „Nicht fahren und trotzdem auf dem Podium. Auch nicht schlecht“, grinste sie.

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