WM Hafjell nachgedreht: Die neuen Überzeugungen des Julien Absalon

Schurter_Absalon_feedzone_herren_wm14_hafjell_acrossthecountry_mountainbike_by Goller
Vierte Runde: Das ist die Phase, in der Julien Absalon zu Nino Schurter (vorne) aufschließt. ©Erhard Goller

Warum der Weltmeister auf Pasta und eine weitere Überzeugung verzichtet hat und warum das zum Schlüssel für den Titel wurde. Über die erstaunliche erste Rundenzeit des Silbermedaillengewinners. Die Defekt- und die Medaillenbilanz. Nachgedreht, was hier so noch nicht geschrieben stand.

Die Geschichte vom fünften WM-Titel für Julien Absalon (BMC Racing) ist auch die Geschichte von verlorenen und neu gewonnenen Überzeugungen.

Sechs Jahre ist es her, da Julien Absalons vierjährige Serie mit Weltmeister-Titeln zu Ende ging. Es war 2008, als er im Val di Sole dehydriert vom Bike fiel, zwei Monate später jedoch in Peking zum zweiten Mal Olympiasieger wurde. 2009 in Canberra unterlag er im Finish Nino Schurter (Scott-Odlo) und es begann eine andere Ära.

Warum er dieses Jahr mit dem Weltcup-Gesamtsieg, dem Europameistertitel und jetzt auch dem Weltmeister-Titel wieder so stark auftrumpfen konnte?
Eine Erklärung, die Julien Absalon liefert: „Ich habe ein paar Blut-Analysen machen lassen und dann meine Ernährung völlig umgestellt. Unter anderem esse ich keine Pasta mehr“, erklärt Absalon. Seither seien seine Werte besser und er fühle sich auch nicht mehr so müde, wie noch in den Jahren zuvor. Zudem habe er zwei, drei Kilo abgenommen und dabei immer noch die gleichen Watt-Zahlen wie vorher getreten.
Damit hob Julien Absalon nicht nur die eigene Überzeugung aus den Angeln. Nudeln, gelten ja als die Energie-Quelle für Ausdauer-Sportler.

…eine neue Liebe…
Auch in Sachen Hardtail war Julien Absalon ja Überzeugungs-Täter. Bis Anfang August. „Ich habe meinem Team gesagt, Ihr braucht mir gar kein Full-Suspension hinstellen, ich benutze es sowieso nicht.“ Der Sinneswandel begann beim Weltcup in Windham, als er registrierte, wie er seine Chancen auf den Sieg auf der langen Abfahrt gegen Fully-User Schurter verlor. „Nach der Saison werde ich das Fully mal testen“, hatte er dann in den USA verkündet.

Nun, Alex Moos, Sportlicher Leiter beim BMC Racing Team, brachte ihm eines zum Weltcup-Finale nach Méribel mit. Da hat er es immerhin mal begutachtet – und es mit nach Hause genommen. Aus der ersten Annäherung wurde Liebe. „Ich bin gleich damit zurecht gekommen. Und als ich das hier in Hafjell auf dem Kurs probiert habe, hat es mir so viel Spaß gemacht, dass ich überhaupt nicht mehr aufhören wollte damit zu fahren. Es war ein Risiko das Fourstroke zum ersten Mal bei der WM einzusetzen, aber es hat sich ausgezahlt“, erzählte Absalon nach seinem Sieg.

Innerhalb des Rennens musste Absalon zwei kleine Rückschläge hinnehmen, die aber auch entscheidend hätten sein können. Auf dem ersten Kilometer lag er hinter Nino Schurter, musste dann aber vom Bike und verlor im Getümmel 20 Sekunden. Als er endlich zum Schweizer aufgeschlossen hat, blockiert ihm der Titelverteidiger mal eine Linie, wodurch Absalon wieder aus den Pedalen muss und erneut eine Lücke bekommt. Dass er ein zweites Mal zurück kommt und Schurter im längsten Anstieg abhängen kann, das war auch: überzeugend.
Mit zwei U23-Jerseys und einem bei den Junioren, hat er jetzt acht Regenbogen-Jerseys in seinem Besitz.

nino-schurter_downhill_sideview_herren_wm14_hafjell_acrossthecountry_mountainbike_by-Goller
Nino Schurter: Zum zweiten Mal nach 2011 Silber bei einer Elite-WM. ©Erhard Goller

Silber, eine Enttäuschung für Schurter? Ja und nein!
Nino Schurter dürfte noch ein paar Jahre Zeit haben, um mit Absalon gleich zu ziehen, was im Falle seines Sieges schon in Hafjell passiert wäre. Der Schweizer war erst einmal sicher enttäuscht. Klar, wenn man das Trikot zwei Jahre lang anhat und die Duelle mit Absalon in den vergangenen Jahren mit wenigen Ausnahmen für sich entschieden hat.
„Er kann eigentlich nur verlieren“, hat sein Team-Chef Thomas Frischknecht im Vorfeld bei einem Interview gesagt. „Für Viele wäre es bereits eine Enttäuschung, wenn er Silber holen würde.“

Das wirkliche direkte Duell dauert nur eine Runde lang. Als Absalon anzog, war Schurters Widerstand rasch gebrochen. Bei der Pressekonferenz zeigte er sich als sportlicher Zweiter. „„Als ich heute Morgen aufgestanden bin, da wollte ich schon meinen Titel verteidigen, aber ich bin auch mit Silber zufrieden. Gegen Absalon zu verlieren ist keine Schande. Er ist der Mann des Mountainbike-Sports.“
Nino Schurter sprach davon, dass er mental nicht mehr bereit gewesen sei, so zu leiden, wie er das für den Titel hätte tun müssen.

Interessant ist übrigens, dass er in seiner ersten Runde noch mal zehn Sekunden schneller war als im Team-Relay, wo er gemeinsam mit Jaroslav Kulhavy und Manuel Fumic in 12:06 Minuten die schnellste Zeit geliefert hatte.

*****

Dass die beiden Top-Stars Julien Absalon und Nino Schurter, die 2014 alle Weltcup-Siege unter sich aufgeteilt haben, eine Klasse für sich sind, das belegen auch die Abstände. 3:28 Minuten Rückstand hatte Cannondale-Fahrer Marco Fontana auf Absalon, 1:37 auf Schurter.

Dagegen liegen zwischen Rang neun (José Hermida) und drei nur 1:12 Minuten.
Moritz Milatz (BMC Racing) hat übrigens fast (bis auf sechs Sekunden) seinen ganzen Rückstand auf Schurter aus den ersten beiden Runden. Was jedoch auch daran liegt, dass der Schweizer kurz vor dem Ziel noch einen Sturz produzierte und natürlich in der letzten Runde auch nicht mehr Vollgas gehen musste, während Milatz um eine Medaille kämpfte.

*****

 defekt_mflueckiger_herren_wm14_hafjell_acrossthecountry_mountainbike_by-Golle
Plattfüße gab es reichlich. Hier bei Mathias Flückiger ©Erhard Goller

Auf dem WM-Kurs wurden viele Reifen-Defekte prognostiziert. Alle waren gewarnt und versuchten Vorsorge zu treffen. Trotzdem erwischte es überdurchschnittlich viele Fahrer. Hier eine, sicherlich unvollständige, Liste:

Marco Fontana (Cannondale), José Antonio Hermida (Multivan-Merida), Fabian Giger, Emil Lindgren (beide Giant Pro XC), Florian Vogel (Scott-Odlo), Mathias Flückiger (Stöckli Pro), Daniel McConnell (Trek Factory Racing), Markus Schulte-Lünzum (Focus XC), Martin Gluth (EBE Racing).
Bei den Damen war es nicht so wild. Die Prominentesten: Tanja Zakelj (Unior Tools), Maja Wloszczowska (Liv Pro XC), Chengyuan Ren (China).

****

Zum Schluss noch die Medaillen-Bilanz (nach neun Cross-Country-Wettbewerben (inklusive Team und Eliminator). Die Schweizer haben ihre All-Time-Bilanz auf 111 Medaillen aufgestockt, die Franzosen kommen jetzt auf 66 Mal Edelmetall.

Schweiz       3   3   2
Frankreich    2   2   1
Dänemark    1   1   –
Kanada        1   –    –
Belgien        1   –    –
Niederlande 1   –    –
Russland     –   1    –
Kolumbien   –   1    –
Schweden   –   1    –
USA            –    –    2
Tschechien  –    –    1
Italien          –    –    1
Deutschland –  –    1
Norwegen    –   –   1

Facebook Auto Publish Powered By : XYZScripts.com