WM Nove Mesto Nachgedreht: Fassungslos im Flow und eine heikle Situation

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Keine Ahnung was all die Leute da wollten: Start der Herren ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

Manche Sportler haben keine Ahnung, andere die falsche Linie oder einen Stich. Oder fünf. Am Knie. Ein Verband scheint auch keine Ahnung zu haben. Zumindest nach der WM. Eine Russin ist wieder zurück im Geschehen, während ein deutsches Team drei Ausfälle zu beklagen hat und nichts zur Medaillenbilanz beitragen konnte. Nachgedreht, was hier noch nicht geschrieben stand.

Matthias Stirnemann (Möbel Märki) belegte Rang sechs, ziemlich unerwartet. Er war dieses Jahr nun schon Siebter in Cairns und Achter in La Bresse, doch, dass er in Nove Mesto zweitbester Schweizer werden würde, damit hatte er auch selbst nicht gerechnet. Im Finale musste er sich von Stephane Tempier (Bianchi-Counterveil) zwar noch distanzieren lassen, doch Stirnemann war danach…nun ja: fassungslos. „Keine Ahnung wie das gegangen ist“, schüttelte der erst 24-Jährige den Kopf. „Ich kann das noch gar nicht fassen.“ So was nennen die Sport-Psychologen „Flow“. Dafür spricht auch, dass er ab Runde nahezu identische Zeiten produzierte, in einer nur Sieben-Sekunden-Bandbreite.

Dazu beigetragen hat wohl auch die einzigartige Stimmung, die Lärmkulisse, die jeden Fahrer nach vorne trieb. Und wenn dann Körper und Geist eine Einheit bilden, dann läuft’s halt.

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Matthias Stirneman im Flow ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

 

Während Julien Absalon (BMC Racing) der seine insgesamt zwölfte WM-Einzelmedaille verbuchte, mussten seine drei BMC-Teamkollegen jeweils mit einem Handicap leben. Lukas Flückiger erwischte wieder einmal einen schlechten Start. „Ich habe eine falsche Linie gewählt und bin in den Verkehrsstau geraten“, erklärte Flückiger, warum er sich von Position 48 an die Aufholjagd machen musste, die auf dem zwölften Platz endete.

Lars Forster stürzte beim Aufwärmen und schlug mit dem Knie auf einen Stein. „Auf einem Bein konnte ich vorne nicht mithalten“, erklärte er enttäuscht zu seinem 28. Platz.

Reto Indergand laborierte noch an den Folgen eines Sturzes in Heubach, wo er mit fünf Stichen am Knie genäht werden musste. So wurde es nur Rang 27.

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Einbeinig Rock’n Roll geht nicht so gut: Lars Forster ©Andreas Dobslaff/EGO-Promotion

Mathias Flückiger (Stöckli Pro Team) war nach seinem 14. Platz tief enttäuscht. So gut wähnte er sich in Form, so viel hatte er sich vorgenommen. „Um die Medaillen mitfahren“, war die Losung. Doch die gute Form hat ihn möglicherweise übermotiviert. Am Montag und Dienstag vor der WM habe er „noch mal Reize setzen wollen“, erklärte Flückiger. „Vermutlich war ich noch nicht ganz ausgeruht.“ So blieb all sein Wirken hinter dem zurück, was der Schweizer eigentlich kann.

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Florian Vogel (Focus XC) hatte gleich zwei Plattfüße zu beklagen. Bis zur zweiten kompletten Runde lag er in der Verfolgergruppe ganz gut im Geschäft, als er seinen ersten Defekt erlitt. In Runde vier war dann zum zweiten Mal die Luft raus. „Schade, die Form wäre auf den Punkt dagewesen“, meinte Vogel.

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Lukas Flückiger vor Pablo Rodriguez, der auf ein spanisches Olympia-Ticket hofft. ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

 

Eine ganz heikle Situation ist in Spanien entstanden. Nach dem Weltcup in La Bresse hatte der Verband Carlos Coloma praktisch das Ticket zugesichert und die Qualifikations-Periode auf die WM ausgedehnt, um die beiden anderen Fahrkarten nach Rio zu vergeben. Vielleicht sind die Spanier deshalb gefahren wie entfesselt.

Sergio Mantecon (Trek Factory Racing), der ein miserables Frühjahr erlebt hat und eigentlich schon weg war vom Fenster, wurde auf einmal Siebter. Dahinter folgte David Valero (MMR) auf Platz acht und dahinter Pablo Rodriguez (MMR) als Zehnter bei seiner ersten Elite-WM, zwei Sekunden vor José Hermida (Multivan-Merida). Alle Vier innerhalb von 46 Sekunden.

Hermida sprach von „spanischen Meisterschaften“ innerhalb der WM. „So gut waren wir in der Gesamtheit noch nie“, meinte der Ex-Weltmeister. „Das wäre schön, wenn da nicht die Olympia-Quali wäre.“

Der bereits vorgesehene Coloma stieg an 53. Stelle liegend aus. Es scheint als habe sich der Verband in eine verzwickte Lage manövriert. Egal wie die Entscheidung ausfällt, es wird Kritik geben.

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Irina Kalentieva (Möbel Märki) hat wieder Anschluss gefunden. Nach ihrer langen Pause scheint die Russin wieder konkurrenzfähig zu werden. Sie strahlte über Rang sechs, auch wenn bei einer Extrembelastung wie das auf dem Kurs von Nove Mesto unvermeidbar ist, der Bauchraum noch immer mit Schmerzen reagiert. Kalentieva hatte Anfang März eine akute Blinddarm-Entzündung mit folgender OP und deshalb eine lange Pause hinter sich.

„Es war ein gutes Rennen. Ich konnte einfach die 8 Sekunden Rückstand aus der Startrunde nicht mehr aufholen und war dann immer auf mich alleine gestellt. Ich bin sehr zufrieden nach dem, was ich in diesem Frühling erlebt habe und mein gutes Abschneiden hat gezeigt, dass ich im Juni sehr gut trainiert habe“, heißt es in einer Pressemitteilung ihres Teams.

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Back in Business: Irina Kalentieva auf Rang sechs ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

 

Das Team Ghost Factory Racing erlebte am Samstag kein erfreuliches WM-Rennen. Alexandra Engen konnte nicht starten, Helen Grobert hatte am Start einen Kettenriss und Anne Terpstra gab das Rennen auf weil sie, laut Twitter-Eintrag des niederländischen Radsport-Verbands „keinen guten Tag“ hatte. Nach der ersten vollen Runde lag sie nur auf Platz 34 und es ging weiter rückwärts.

Nur Lisi Osl verbuchte ein Ergebnis. Nachdem sie dem Startcrash gerade noch entkam, fuhr sie ein konstantes Rennen, das auf Platz 25 endete.

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Wenn wir schon bei den Teams sind: Specialized Racing hat zweimal Gold und zweimal Silber eingepackt. Scott-Odlo immerhin zweimal Gold.

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Die Statistik-Freunde von mtbcrosscountry.com haben wieder ihre Liste mit den größten Sprüngen erstellt. Unangefochtener Spitzenreiter über alle Rennen hinweg ist Christian Pfäffle (Stevens Racing). Von 100 auf 15 macht 85 Überholvorgänge. In dieser Wertung war er ja schon bei den Weltcups in Albstadt und La Bresse Spitze. So langsam bekommt er aber ein Problem. Durch seinen 15. Platz eroberte er 78 Weltranglistenpunkte, fast so viel wie in allen Rennen dieser Saison zusammen und machte in der Weltrangliste einen Sprung um 95 Positionen. Wenn er weiter nach vorne rückt, desto weniger werden die möglichen Überholvorgänge.

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Wenn man eine Medaillen-Bilanz haben will: Die Schweizer haben die WM mit neunmal Edelmetall dominiert. Zwei Goldene gab es auch für Schweden und Frankreich.

 

Verband                     Gold                Silber             Bronze                       Gesamt          

 

Schweiz                       2                      3                      4                      9

Frankreich                   2                      1                      1                      4

Schweden                    2                                                                      2

Österreich                   1                      1                                              2

Dänemark                    1                                                                      1

Neuseeland                  1                                                                      1

Tschechien                                          2                                              2

USA                                                    1                                              1

Deutschland                                        1                                              1

Kanada                                                                        1                      1

Norwegen                                                                    1                      1

Belgien                                                                        1                      1

Italien                                                                          1                      1

 

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